Der Ort Piethen war schon zur Zeit Kaiser Otto I. von herausragender Bedeutung. Im Gau Koledizi gelegen, war es ein Grenzort einer Schenkung des Kaisers an den Markgrafen (Grenzgraf)
Thietmar. Ab 1024 gehörte der Ort zum Besitz des Klosters Nienburg. Schon vor dem Jahr 1370 wurde in Piethen eine erste Kirche errichtet. Nach dem 30-jährigem Krieg wurde diese Kirche als einfacher rechteckiger Bau
ohne Turm, mit halben achteckigen Chorvorbau wieder hergestellt. Auf der Westseite des Satteldaches war in Fachwerkbauart ein Dachreiter aufgebaut, in dem die Kirchenglocke hing. Diese Kirche
soll keinerlei Schmuckelemente aufgeweiesen haben. Nur die Orgel
war aber mit einigen barocken Schnitzelementen ausgestattet.
Im Jahr 1909 wurde die Kirche grundlegend umgebaut. Den Entwurf dazu lieferte der herzögl. Baurat Friedrich Gothe. Die Entwürfe zum Kirchenumbau fußten auf den neuesten Erkenntnissen des
Bauwesens der. Die Kirche ist ein Juwel der anhaltischen Kunst- und Baugeschichte, ähnlich der Kirche in Gnetsch und der Martinskirche in Köthen, die vom gleichen Architekten umgebaut wurden.
. Die Kirche in Piethen wurde im Jugendstil geplant und künstlerisch umgestaltet, wodurch sie zu einem Gesamtkunstwerk im ländlichen Raum wurde.
Auf der dem Dorfteich zugewandten Seite wurde ein stämmiger Glockenturm mit seitlich angefügtem halbrundem Treppentürmchen errichtet. Dem Turm wurde ein Krüppelwalmdach mit Fledermausgauben
aufgesetzt, so dass die Kirche einzigartig, aber dekorativ wirkte und viel Zuspruch erhielt. Wesentliche Gestaltungselemente sind die Ochsenaugen, Korbbogenfenster und das Ädikular-(Umrahmung mit Säulen)Portal.
Die baulichen Kunstelemente wurden sparsam aber ausgewählt und elegant eingefügt, so dass der Bau weder überladen, noch schlicht und einfach, aber auch an keiner Stelle überladen wirkt.
Der halb 8-eckige Chorraum wurde wurde durch ein leichtgewichtiges Netzgewölbe aufgewertet. Das Kirchenschiff erhielt eine rustikale Balkendecke. Entscheident für die Gesamtwirkung des Baues war, dass der Baurat
F. Gothe nicht nur die äußerte Hülle der Kirche veränderte, sondern dass seine Planungen auch im Innenraum grundlegende Veränderungen zu einer einheitlichen Gestaltungslinie des Jugendstils vorsahen,
welche auch umgesetzt werden konnten. Der Altar, die Kanzel, das Taufbecken, das Gestühl, die Empore, das Orgelprospekt, die Leuchtkörper, die Türen und Türfüllungen- alles wurde akribisch durchdacht geplant und gebaut.
Selbst die farbigen fenster reihen sich ein in die qualitätsvollen Formen des geometrischen Jugendstils. Dabei wurden alle Teile nicht aufwändig, aber zweckentsprechend ansprechend geplant.
Die Besonderheit dieser Planungen war die individuelle ornamentale Linienführung und die Farbgebung.
"Bemerkenswert ist auch die in ihrem spätromantischen Klangaufbau unverändert erhaltene Orgel aus der Dessauer Orgelbauwerkstatt Fleischer & Kindermann, ein zweimanualiges Werk mit 10. Registern
,pneumatischer Traktur und freistehendem Spieltisch." .
Die Farbgebung im Innenraum wurde leider in den Folgejahren verändert, so dass es umfangreicher restauratorischer Untersuchungen bedurfte, um in denkmalgerechter Weise den von Gothe
entworfenen Farbeindruck in der Kirche nachzuempfinden.
Dem Baurat Gothe ist es zu verdanken, dass er auch diese Kirche, durch einen Umbau, in einzigartiger künstlerisch- architektonischen Weise, zu einem absolut sehens- und erlebniswerten
Sakralbau umgestaltet hat, so dass auch heute, nach erfolgter intensiver Restaurierung, die klare Linie des Jugendstils den Betrachter im Außen- wie im Innenraum fasziniert.
Im Jahr 2010 war sie "Kirche des Monats" der Stiftung zur Bewahrung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland,
(1) und Textvorlage: Dr. H. Brülls; Landesamt f. Denkmalpflege u. Archäologie Halle